Polarmond: Komfortables Schlafen auch bei -30°C

Als Prototypen-Tester konnten wir in zwei frostigen Winternächten das neue Polarmond All-in-One Schlafsystem ausprobieren und unsere Eindrücke schildern. Hier unsere Erfahrungen aus dem Feldtest in der norddeutschen Tiefebene:

 

Pinguintreffen 2016: Testeindrücke von Michael Grüter:
„Die Schweizer Firma Polarmond hat nicht das Rad neu erfunden, aber etwas Ähnliches hat sie doch versucht.

Ihre neue Entwicklung bricht deutlich mit unserer üblichen Vorstellung von einem Zelt, deshalb nennt sie das Produkt auch Schlafsystem. Zeltwand, Schlafsack und Thermomatte werden von den Schweizern in eine mehr oder weniger feste Verbindung (Schlafhülle) gebracht. Das Innenzelt wird in zwei Kammern geteilt, einem gedämmten Schlaftunnel (genau 64 Zentimeter breit, ebenso hoch und etwa anderthalb Meter lang, s. u.) und einem gut ein Meter hohen, sehr überschaubaren Wohnbereich. Das Schlafsystem soll komfortable Übernachtungen bei extremer Kälte von bis zu minus 30 Grad, aber auch bei bis zu plus 25 °C ermöglichen."

 

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Den Aufbau sollte man einmal unter besseren Bedingungen üben, damit es unter Extrembedingungen besser klappt. Wir empfehlen, die Hauptverbindungs-Reißverschlüsse vor dem Einschieben der Stangen zu koppeln.

 

"Wir konnten das neuartige Zelt bei mäßigen Temperaturen von minus drei bis minus vier Grad erproben. Wir fühlen uns wohl in dem Produkt, haben so gut schon lange nicht mehr in einem Zelt geschlafen. Einen großen Anteil kommt dabei der Therm-a-Rest NeoAir Matte zu, die dem Produkt mitgegeben wird. Sie hat gute Dämmwerte, hindert so die Abgabe von Körperwärme in den kalten Boden und kann auch bei schlechtem Wetter im Zeltmodul aufgeblasen werden. Vorteilhaft macht sich bemerkbar, dass die Luftkammern quer angeordnet sind. Auf den sonst oft längs-ausgerichteten Kammern kippelt man leicht, was die Ruhe doch merklich einschränkt.“

Neben dem guten Schlafkomfort fiel uns auf, dass der umlaufende Eingangs-RV des Innenzelts sehr nah am Boden liegt. Hier muss richtig abgespannt werden und wir erfuhren auch, dass dieser RV in der Serie höher angebracht werden soll. An den beiden farbiren Verbindungs-RV‘s zwischen Biwak- und Zeltmodul drang bei unserem Test keine Feuchtigkeit ein, obwohl sie nur einfach überlappt sind. Auch hier konnten wir noch nicht auf die schlussendliche Serienlösung zurückgreifen. Bei unseren Übernachtungen fiel nur leichter Scheeregen - es gab keinen Wind, daher gab es auch keine Probleme mit eindringender Feuchtigkeit, die Polarmond unter Laborbedingungen testet. Nennenswertes Kondenswasser hatte sich weder im Biwak noch im (Vor-)Zelt gebildet. Polarmond begründet dieses positive Phänome damit, dass die schnell angewärmte Luft im Biwak viel mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann und gleichzeitig die Isolation schützt.

Bemerkenswert fanden wir auch den Aufblas-Effekt des Wärmekragens (der roten Kapuze). Man liegt darin bequem wie in einem 'aufgepluderten Rettungsring' und merkt bei leichten Minusgraden, dass kältetechnisch noch sehr viel ‚Luft nach unten‘ gibt. Die aufgeblasene Kapuze isoliert tatsächlich ungemein: Um diesen Teil des Schlafsystems zum Einrollen zu dekomprimieren, muss man eigens einen Entlüftungs-RV öffnen! Da nur der Kopf in der Kaputze steckt, kann man zum Schlafen sogar die Arme unter den Kopf legen. Trotz üppiger Fillpower werden laut Polarmond keinerlei tierische Materialien verwendet. Polarmond sieht das als einen Beitrag zum Tierschutz. Doch zurück zu der persönlichen Erfahrung:

 

 

„Die Matte wird beim Aufbau in eine Tasche in den Zeltboden des Schlaftunnels eingeführt und kann so ihre Lage nicht verändern. Das Biwakmodul ist über seine ganze Außenwand mit Dämmmaterial versehen, deren Zusammensetzung ein wohl behütetes Betriebsgeheimnis von Polarmond bleibt. Die Matte wiederum ragt etwa 60 Zentimeter in den ‚Wohnsektor‘ hinein. In diesem Bereich ist sie von einem klassisch anmutenden Oberteil eines Schlafsacks umfasst. Zum Schlafen schlüpft man in dieses Oberteil und streckt sich im Schlaftunnel aus. Zum Produkt gehört noch eine leichte Fleecedecke, mit der man sich im Schlaftunnel zudeckt. Dadurch wird der Schlafkomfort 'wie zu Hause' tatsächlich positiv unterstreichen.

 

Wir waren recht ausgekühlt, als wir uns mitten in der Nacht zum Schlafen begaben. Es stellte sich als schwierig heraus, sich in dem doppelwandigen Vorzeltzelt (Biwak) der Kleider zu entledigen. Beim Ausziehen der Hose streckt man sich doch gerne aus. Wir legten uns mit einem dünnen Baumwollschlafanzug zum Schlafen. Der mitgebrachte Seidenschlafsack konnte eingepackt bleiben. Auf dem Material, das die Therm-a-Rest NeoAir bedeckt, lässt es sich gut liegen, es fühlt sich nicht nach Plastik an. Mir fiel auf, dass der Eingangsreißverschluss zum Innenzelt sehr bodennah angebracht ist, doch hier wird kaum Nässe eindringen können. Biwak- und Zeltmodul sind auch einzeln zu gebrauchen.“

„Die einstige Vision, Outdoor Schlafsysteme für Flüchtlinge und Obdachlose zu entwickeln, herzustellen und an Hilfsorganisationen, Städte und Kommunen zu verkaufen […] werden wir angehen, wenn wir genügend Kapital erwirtschaften konnten. Es ist also noch immer meine langfristige Vision, welche vielleicht um 2020 umgesetzt werden kann.“ W. Krummenacher | CEO Polarmond

„Im Schlaftunnel erfreuten wir uns bald an Wärmewellen, die von der Zeltwand reflektiert wurden und uns bald durchströmten. Das kleine Luftvolumen im Schlaftunnel wird rascher als ein normal großes Zelt von der eigenen Körpertemperatur aufgeheizt. Die leichte Decke ermöglicht dem Schlafenden zudem eine beiläufige Regulierung seines Wärmehaushaltes. In klassischen Schlafsäcken muss man dazu den Reißverschluss öffnen, wozu man in der Regel erst einmal wach werden muss. Die zusätzlich zur Wärmeregulierung angebrachten Reißverschlüsse benutzten wir in dieser Nacht nicht. Wir hatten es gern warm. Die Verdunstungsfeuchtigkeit wurde abgeführt. Man atmet ohnehin nicht in den Schlaftunnel, sondern ins Vorzelt hinein. Tropfen fielen uns nicht auf.

 

Als Motorradfahrer reisten wir mit leichtem Gepäck, 60 Liter auf drei Taschen verteilt. Fahreranzug und Helm trugen zusätzlich dazu bei, dass am Ende das Zelt gefüllt war. Als praktisch erwies sich das kleine Vorzelt zum Abstellen der Stiefel."

 

- Erfahrungsbericht von Michael Grüter, ergänzt um Erfahrungen von Markus Golletz -

Fazit:

Aus dem Prototyp ist ein ausgewachsenes, aber auch hochpreisiges Schlafsystem entstanden. Die -30 °C Variante ist sicherlich einigen Extrem-Bergsteigern vorbehalten, das Prinzip funktioniert aber gut und so warten wir gespannt auf eine Trekkingvariante (2017/2018), die dann hoffentlich auch mit einem überzeugenden Packsystem und einer guten Relation aus Gewicht, Packmaß und Preis überzeugt. Bitte immer bedenken: Das Polarmond All-in-One Schlafsystem ist kein Zelt, sondern beinhaltet quasi Schlafsack und Isomatte.

Das Schlafsystem wird in 3 Längen angeboten: Short < 170 cm, Regular: 170 - 185 cm und Long: 185 - 195 cm (auf Anfrage).

Für 2510  € erhält man derzeit in der Preorder (Lieferdatum: September 2016) zum Schlafsystem das Zeltmodul ‚gratis‘ mit dazu. Man sieht dabei auch sehr den modularen Aufbau, der Polarmond anscheinend ausgesprochen wichtig war. Polarmond verwendet in der Serie silikonisierte Ripstop-Materialen mit 8000 mm Wassersäule am Boden und 3000 mm am Überzelt. Die Verarbeitung hat Ähnlichkeiten mit Exped, stammt aber tatsächlich aus ganz verschiedenen Herkunftsländern. Deutschland, Polen, Irland (NeoAir) Korea, Vietnam und Taiwan wurden uns genannt.

Plus

  • Mit Zeltmodul genug Platz für Gepäck und zum Umziehen
  • wirklich warm, aber auch klimaregulierend, bei Plusgraden zu gebrauchen
  • innovative Technik, die außerordentlichen Schlafkomfort auch bei Extrembedingungen bietet:
  • Schlafkomfort 'wie zu Hause', dauerhafte Isolationswirkung, Entfeuchtungsmanagement auch bei kalter Luft, Temperaturregulierung

Minus

  • Beim Prototyp kann der Eingangs-RV auf dem Boden aufliegen, in der Serie soll dieser RV 5 cm höher eingebaut sein
  • Prototyp: noch kein schlüssiges Zusammenpack-Konzept (4 einzelne, teils Kompressionsbeutel)
  • Fast alle bisher Befragten finden das System zu teuer; Polarmond stellt eine plausible Vergleichsrechnung auf
 

Das Schweizer Start-up Polarmond, mit Sitz in St. Gallen, wurde im Dezember 2011 durch Walter Krummenacher und Marcel Schubiger gegründet. Die einstige Vision, Flüchtlinge und Obdachlose vor Unterkühlung oder gar dem Kältetod schützen zu können, führte zur Entwicklung des weltweit ersten selbst aufwärmenden und temperaturregulierbaren ALL-IN-ONE Schlafsystems, mit dem in einem ersten Schritt der Outdoor Markt bedient wird. Die Produktentwicklung wird von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) der Schweizerischen Eidgenossenschaft teilfinanziert.

Zeltmaterialien [+]

Besonderes Augenmerk verdient das Gestänge bei Zelten, wenn sie der härteren Gangart ausgesetzt werden. Das Gestänge muss flexibel aber auch bruchfest und dabei leicht sein. Es sollte dem Wind etwas nachgeben, dem Zelt aber seine nachhaltige Form bewahren und bisweilen eine beachtliche Schneelast aushalten.

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Am besten kann das ein hochwertiges Aluminiumgestänge. Renommierte Hersteller sind DAC Featherlite und Easten Alloy. Deren Gestänge verschiedener Durchmesser sind hohl und weisen verschiedene Steckverbindungen auf. DAC Featherlite hat z. T. hülsenlose Übergänge zwischen den Segmenten, damit es sich leicht durch Gestängekanäle schieben lässt. Easton Alloy zeichnet sich durch hochwertiges Material aus.

Anhand der Werkstoffbezeichnung lässt sich das Herstellungsland und die Härte ablesen: 7075 T6 kommt meist aus Europa, 7001 T6 wird oft in Korea gefertigt. Die Zahl hinter dem T (im Zeltbau meist zwischen T6 und T9), gibt Auskunft über die Härte, Steifigkeit und Elastizität, bzw. die Art der Wärmebehandlung. Je nach Anwendung und Radius, in dem die Stange eingebaut wird kann der T-Wert variieren.

Überzeltmaterialien: Nylon oder Polyester?

Aus welchen Material das Überzelt sein soll ist nicht einfach zu beantworten. Einfache Polyestermaterialien sind meist preisgünstiger als veredeltes Nylon. Frage man den Chemiker, so schneidet im direkten Vergleich und in Reinform Polyester ‚besser‘ ab. Im Zeltbau liegen die Textilen Stoffe aber in stark abgewandelter Form vor, weswegen sich die Eigenschaften stark abhängig von der Veredelung sind.

Sprach man Polyester eine Unverrottbarkeit, geringe Dehnung und geringe UV-Empfindlichkeit zu, hatte Nylon beinahe gegenteilige Eigenschaften. Nylon, das für Zelte verwendet wird ist meist die RipStop-Ausführung, die dadurch reißfest und durch aufwändige Slikonisierung UV-unempfindlicher geworden ist. 
MR-Empfehlung: günstige und leichte Polyesterzelte sind für den Sommer ganz praktisch, weil sie leicht sind und schnell trocknen. Wenn der Aufenthalte mehr in kühlere Gefilde und Aufenthalte außerhalb von Campingplätzen führt, sollte man über die Anschaffung eines silikonisierten Nylon-Zeltes nachdenken. Das silikonisierte Nylonzelt kann selbstverständlich auch im Sommer benutzt werden, denn die Silikonbeschichtung wirkt der Versprödung von Nylon entgegen. Sie durchdringt das Gewebe und macht es elastischer, stabiler. Regentropfen verbleiben ziehen nicht in das Gewebe ein, und können abgeschüttelt werden. Manchmal dauert das Trocknen wegen der glatten Oberfläche aber auch etwas länger. 

Materialinfo zusammengefasst:

Nylon (Markenfaser aus Polyamid): höchste Reiß- und Scheuerfestigkeit, Nachteil: Dehnung und UV-Empfindlichkeit, wenn nicht beschichtet. Die RipStop Verarbeitung und Silikonbeschichtung erhöht die Reißfestigkeit und minimiert die Nässedehnung. Eine Silikonbeschichtung (Mehrfachbeschichtung mit Si-Elastomer) minimiert zwar die Wassersäule, erhöht aber die UV-Beständigkeit – den größten Feind des Zeltes.

  • UV-Beständigkkeit
  • Hohe Reißfestigkeit
  • Veredelt sehr robust und leichter als Polyester
  • Wassertropfen gut abschüttelbar bei SI-Material
  • SI-Zelte müssen an den Nähten nachgedichtet werden

Polyester: gute allround-Eigenschaften, wenig Wasseraufnahme (trocknet schnell) allerdings wegen statischer Aufladung zum Teil schmutzempfindlich. Günstig und leicht, wenig Nässedehnung, hohe UV- und Verottungsbeständigkeit. Flattergeräusche sind lauter als bei anderen Zeltmaterialien.

  • Preisgünstig
  • Geringe Entflammbarkeit
  • Schnelltrocknend
  • PU nur oberflächlich aufgetragen (Haltbarkeit)