von Markus Golletz
Triumph Tiger 800 XC vs. F 800 GS Bj. 2011
Tiger Triple gegen BMW Rotax – ein Vergleich von Reiseenduros anno 2011
Die ‚kleine‘ Tiger war im Frühjahr 2011 in aller Munde. Es gibt auch Plagiatsvorwürfe gegen sie. Doch wen schert das, wenn Gutes kopiert wird und eine attraktive Konkurrentin dabei entsteht? Ich hatte die Gelegenheit ‚Plagiat‘ und Original zu fahren und bin von beiden Motorrädern positiv überrascht. Fangen wir bei der Tiger an, dem Modell das erst 2011 auf den Markt kam und optisch einige Anleihen an die F 800 GS hat.
Wichtigste Unterschiede zwischen der Tiger 800 XC und der Tiger 800 liegen im Fahrwerk: die XC hat das 21 Zoll Vorderrad, eine um 2 mm Stärkere Upsidedown Gabel und Federwege von 220/215 die den 180/170 der Straßenschwester gegenüberstehen (215 kg). Der Motor ist kein aufgebohrter 675er, sondern eine Neukonstruktion, bei der der 675er Triple Pate stand. Das Ergebnis ist ein in Ansätzen aggressiv, gegenüber dem Zweizylinder naturgemäß nervöser wirkender Triple, der adäquat beschleunigt.
Das Tiger-Design ist sehr charismatisch und wird im Allgemeinen gut angenommen: Die Triumph-typischen filigranen Rahmenrohre, die Doppelscheinwerfer-Optik, ein eng anliegender Auspuff: die Tiger kommt fast ohne extra Plastikteile oder Seitendeckel aus. Anders als bei der BMW wird noch durch den Tankstutzen getankt, der klassisch auch dort oben sitzt. Damit wandert der Schwerpunkt der Tiger im Vergleich zur BMW weiter nach oben. Das stört im Alltag selten, außer beim Rangieren oder eben im Gelände. Subjektiv macht das gute Fahrwerk, die ansprechende Optik und eben das Besondere, einen Triple zu fahren die Tiger zu einem attraktiven Angebot, neben der so allmächtigen Marke BMW (25 % Marktanteil in Deutschland 2011).
Gemein: BMW Werbung 2011: Seitenhieb gegen Tiger Verbrauch
Trotz Design-Anleihen an die F und einer aggressiven BMW-Anzeigenkampagne (Fährt noch, wenn andere für kleine Tiger müssen ....) ist die Triumph ein eigenständiges Motorrad.
Den ‚flotten Dreier‘ im Gelände kann ich nicht bestätigen, was aber auch der straßenorientierten Bereifung geschuldet ist, mit der selbst die Enduroversion der Tiger ausgeliefert wird. Gleiches gilt übrigens für die BMW, die serienmäßig auf Metzeler Tourance rollt.
Tiger Instrumentation
F 800 GS (Markteinführung Frühjahr 2008) Touratech hatte sie als Erlkönig zuerst, zusammen mit der leider glücklosen BMW XChallenge wurden die Bikes für eine Afrika Tour mit Katalogbilder-Produktion genutzt. BMW hatten Herbert und Ramona die Bikes unter dem Vorbehalt gegeben, sie nicht in Deutschland zu bewegen. Auch bei einem Tankstopp auf der Rückreise sollen vorbeikommende Biker nicht gemerkt haben, dass es sich bei den beiden um Erlkönige handelte. Vielleicht waren die beiden zu dreckverschmiert, als das man Genaueres an den Bikes erkennen konnte.
Die BMW ist meiner Meinung nach ein gutes Motorrad mit einer sehr gut abgestimmten Einspritzanlage. Man erfreut sich eines (zwar langweiligen) aber sehr traktionsfreudigen Drehmomentverlaufs, einer okaen Gasannahme und geringen Verbrauchswerten (4-4,9l): Alles, was ein Enduromotor so braucht. Meine über 20 Jahre alte Africa Twin hat einen 24 Liter Tank und kam genausoweit, wie die F mit ihren 16 Litern. Endlich mal ein Fortschritt! Mit der Restkilometeranzeige (verbleiben sollen ab Reservelampe ca 4 Liter im BMW Plastiktank) hatte man anscheinend juristische Probleme. Deswegen wurde der Bordcomputer dahingehend geändert, dass nun noch die gefahrenen Kilometer im Reservemodus angezeigt werden. (Anmerkung: dazu auch Interview mit BMW Rudi Probst und Lösung des Problems durch Motoscan). Auch die Verarbeitung der F ist gut und hochwertig, es werden jede Menge Torx-Schrauben verbaut, für die man sich schnell ein gutes Bordwerkzeugset kaufen sollte.
Lenker und Sitzposition harmonieren gut mit einer Körpergröße von 180 cm, man bekommt aber auch wahlweise niedrigere Sitzbänke für kleiner Gewachsene. Auch wenn man heutzutage schon mehrere, umschaltbare Motor- Mappings bei anderen Motorrädern gleich mitgeliefert bekommt, gefällt das Mapping bei der BMW auf Anhieb. Auch das der Tiger gefällt gut, besonders im Straßenbetrieb. Mit dem Accelerator Modul, das Einfluss auf den Motorlauf mittels Lufttemperatur nimmt, kann das Mapping noch weicher gestaltet werden. Bei der AUK beim TÜV kamen wir damit durch.
Lange Schatten in Südfrankreich
Wenn ich es nicht besser wüsste, wäre die Tiger 800 XC für mich die Straßenvariante, und die F 800 GS die Endurovariante zweier im Prinzip ähnlichen Motorräder. Welcher Gattung nur die ‚normale‘ Tiger 800 angehört?
So fällt die Bewertung der beiden ähnlichen und vollwertigen Reiseenduros nicht einfach. In Preis und Motorleistung und auch in der Ausstattung sehr ähnlich kann man letztendlich persönliche Vorlieben walten lassen. Schicker (und neuer) ist vielleicht die Triumph, universeller wahrscheinlich die BMW.
Fazit:
Der Schlüssel-Abgebe-Faktor: Den Zündschlüssel der BMW habe ich nicht so gerne wieder hergegeben wie den der Tiger. Dies soll kein vernichtendes Urteil sein, sondern der objektive Ausdruck einer Vorliebe: Beim Motor ist es eine Glaubenssache, ob man ein, zwei oder drei Zylinder vorzieht. Ich komme eher aus dem Einzylinderlager und bevorzuge den Drehmomentstarken, modern abgestimmten BMW Motor. Der der Tiger hat auf dem Papier etwas mehr Leistungsreserven, die aber in Drehzahlregionen liegen, die ich kaum benutze. Deswegen gaben Motor, Verbrauch und die bessere Enduro-Eignung bei mir den Ausschlag bei der BMW den Daumen nach oben zu drehen. Die Tiger ist ein Motorrad, bei der Triumph nichts dem Zufall überlassen hat: Aussehen, Design, Rahmenlinien wurden alle durch Befragungen potentieller Kunden optimiert. Gelungen ist in jedem Fall die Frontpartie mit den absolut hellen Scheinwerfern und auch das schlanke Heck. Die Tiger 800 XC ist mehr auf der Straße zu Hause, es sei denn, der Zubehörmarkt hat noch einiges in petto. Nicht änderbar dürfte aber der im Vergleich zur BMW gefühlt höhere Schwerpunkt sein, ein Zugeständnis an einen hoch eingebauten aufwändigen Dreizylindermotor.
Preise: Tiger 800 XC mit ABS: 11190 EUR
BMW F 800 GS: 2018 nur noch Adventure lieferbar, ab 12.480 €, je nach Zubehör, mit 2 Fahrmodi Rain und Road
Ausstattung
Tiger: Zu der Tiger gibt es eine mitschwingende Gepäckbrücke samt Kunststoffkoffer, die mit Alu-Applikationen versehen sind. Bei der Bedienung des Bordcomputers braucht Mensch lange Arme!
BMW: Bordcomputer lässt sich bequem vom Lenker aus bedienen, Koffer sind raffiniert gemacht und lassen sich im Volumen verändern. Leider Vertikale Teilung.
Fahrwerk
Tiger: Nur Zugstufe und Federvorspannug einstellbar, Upside Down Gabel, Zentralfederbein das über Hebel am Rahmen angelenkt ist um Progression zu erzielen.
BMW: Dasselbe in Blau-Weiß: nur ist das Sachs Federbein direkt angelenkt. Eine Abdeckung der Mechanik zum Rad hin hielt man für überflüssig.
Tiger: 19 Liter Tank
BMW: trotz 16 Liter Tank, ähnliche Reichweite
Fahreindrücke
Tiger: Autobahn sehr gut (guter Windschutz), Landstraße gut, Gelände ausreichend (Bereifung), Soziustauglichkeit: sehr gut, ABS gut, aber wie bei anderen Enduros: ABS Hinterradbremse regelt zunächst sehr grob. Umständlich abschaltbar (über Bordcomputer)
BMW: Harmonische Leistungsentfaltung, eher drehmoment- als leistungsoptimiert, Autobahn und Landstraße, auch mit Reiseornat sehr gut, Landstraße: ein Genuss, Gelände: mit entsprechender Bereifung wie eine Africa Twin. ABS einfach abschaltbar (Lenker)
Verbrauch
Tiger: Hoher Verbrauch: 6,4 Liter im Testmittel
BMW: geringer Spritverbrauch: 4,6 Liter im Testmittel
Offroad
Tiger: etwas kopflastig, hoher Schwerpunkt, spritziger Motor der hoch drehen mag, leicht zu bedienende Lenkeramarturen, sehr geringe Motorbremswirkung
BMW: Ausgewogener Schwerpunkt, etwas wackliger Hauptständer, guter Drehmomentverlauf, gutmütiges Fahrwerk (ZF Sachs / ausgereifte Marzocchi Gabel ohne Einstellmöglichkeit, perfekte Offroad Traktion, wenn man einen Gang hochschaltet
Foren und Infos:
BMW: www.F800GS.de
Tiger 800: www.tigerhome.de
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