Alpen: Zwischen Wildnis und Freizeitpark

Eine Streitschrift zum Thema: „Zwischen Wildnis und Freizeitpark“ schreibt Werner Bätzing, einer der renommiertesten Alpenforscher Europas. Dabei skizziert Werner Bätzing im ersten Teil elf Thesen zur Zukunft der Alpenregionen, die allesamt möglich wären und in der Diskussion sind. Nur hätten allesamt verehrende Auswirkungen für den Alpenraum.

Dabei kommt z. B. eine bemerkenswerte These zustande, die sich aus der Konkurrenz von sozialer Marktwirtschaft und Kommunistischem Wirtschaftssystem begründet: Heute sind noch Spätfolgen der Epochenwende von 1989/90 zu spüren. Während damals die Soziale Marktwirtschaft in Konkurrenz zum Kommunismus stand, wurde wenig später immer mehr neoliberale Wirtschaftspolitik eingeführt. Das führte dazu, dass viele nötige Einrichtungen in den höher gelegenen Alpenregionen (z. B. Schulen und Krankenhäuser) nach der Epochenwende geschlossen wurden. Zur Zeiten der sozialen Marktwirtschaft hätte man anders gerechnet. Es musste sich nicht jede soziale Einrichtung per se rentieren. Die Folge ist noch heute Landflucht aus den abgelegenen Alpenregionen. Bätzing spricht sogar von Verwilderung dieser Regionen.

Eine weitere These, die wir interessant fanden ist die das Erlebnisse in der Bergwelt von einem Anbieter organisiert und durchgeführt werden müssen: „weil sich nur ein wirklich optimales Erleben erreichen lässt – das eigene Erleben gilt gegenüber professionell entwickelten Erlebnisangeboten als minderwertig.“ Diese These lässt sich aus soziologischer Sicht in Foren und Veranstalter-Angeboten nachzuvollziehen.

Den meisten Thesen gemein ist, das die Alpen entweder konzentriert als Freizeitpark ausgebeutet werden, das eher oder später sogar eine Wasserknappheit entstehen kann und das die Alpen als Lebens- und Wirtschaftsraum weiter Bedeutung verlieren werden. Verwilderung, verschwinden von artenreichen, kleinräumigen Kulturlandschaften oder auch Verstädterung der Randgebiete skizziert Bätzing als weitere, negative Entwicklungsperspektiven. Die Tendenz, dass stereotyper Tourismus sich auf nur 300 Zentren in den Alpen konzentriert, lässt viele kleine oder regionale Anbieter vom Markt verschwinden.

Denkt und lebt man jede einzelne dieser Zukunftsvisionen zu Ende, kommt Bätzing zu einem für Mensch und Raumordnung negativen oder ungünstigen Ergebnis. Ebenfalls, selbst, wenn man jeweils nur sinnvolle Teilaspekte zusammensetzt. Auch seien die Zukunftsprobleme der Alpen gar keine alpenspezifischen Probleme, sondern es sind Probleme die in vielen ländlichen Teilen Europas zu finden sind. Alle infrastrukturell benachteiligten Regionen werden die auch die Alpen zu Peripherien gemacht. Bätzings Lösungsvorschläge sind ‚unzeitgemäß‘. Sie beziehen sich auf kulturelle Werte, dezentrale Potentiale, angepasste, multifunktionale und alpenspezifische Nutzungen. Die Streitschrift bietet dabei keine Patentlösung, zeichnet aber einen Pfad mit vielen Verzweigungen auf, der durch unser aller Verhalten bestimmt werden kann.

Werner Bätzing ist mittlerweile emeritierter Professor für Kulturgeographie am Institut für Geographie in Erlangen und zusammen mit Michael Kleider Autor zahlreicher Wanderführer in den Westalpen, veröffentlicht im Rotpunktverlag Zürich.

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