José Bové: Die Welt ist keine Ware

Ein Buch über zeitgenössische Gegenkultur, Widerstand und Hoffnung

12. August 1999. Circa 300 Menschen treffen sich im französischen Millau, um eine symbolische Aktion durchzuführen, die weitreichende Folgen haben wird. Unter den DemonstrantInnen zahlreiche Schafzüchter der Roquefort-Region und die Bauerngewerkschafter Francois Dufour und José Bové. An jenem Tag wird im Blitzlichtgewitter der Öffentlichkeit eine im Bau befindliche McDonald-Filiale „zurückgebaut". Grund für die Proteste gegen die Burger-Kette waren die US-Strafzölle, die für bestimmte Produkte wie Gänseleberpastete oder Roquefortkäse eingeführt wurden, weil sich die EU-Staaten weigerten, hormonbehandeltes Rindfleisch aus den USA zu importieren.

Die regionalen Zeitungen taten den Vorfall zunächst als eine Aktion von Spinnern ab, sie sprachen von ‚wild gewordenen Bauern’, die eine McDonalds-Filiale verwüsteten. Doch schnell fanden die KämpferInnen für eine gesunde Landwirtschaft viele Sympathisanten und Mitstreiter, die Bové als eine Art Asterix, oder besser Globalnix verstanden. McDonald wurde in der Folgezeit über Wochen ein beliebtes Ziel für Protestaktionen der Landwirte. In der Dordogne verteilte man vor den Schnellrestaurants Wurst und Gänseleberpastete, anderenorts wurden Rotwein und Schmalzbrote gereicht. All dies, als Solidaritätsbekundung für den mittlerweile Inhaftierten José Bové. Die Botschaft der Aktionen ist aber weitreichender, wie Bové in seinem Buch im Interview mit Gilles Luneau klarstellt: „Es ging uns um gutes Essen gegen undefinierbares Zeug (‚Malbuffe’, dem Schlechtessen) und der bäuerlichen Landwirtschaft als Gegenmodell zur multinationalen Konzernmacht."

Ein knappes Jahr später steht Bové unweit des Tatortes in einem Stadion am Mikrofon und spricht zu 100 000 Menschen, viele von ihnen Globalisierungsgegner, es sind doppelt so viele wie beim WTO-Gipfel in Seattle…

Natürlich soll jenen Bauerngewerkschaftern der Prozess gemacht werden, doch als der McDonalds-Konzern wittert, dass die ganze Sache imagemäßig nach hinten losgehen könnte, lässt man die Klage schnell fallen. Es bleibt der Strafprozess vor dem Amtsgericht in Millau, bei dem die 10 Angeklagten federführend bleiben sollen. Bové lädt GlobalisierungsgegnerInnen aus 12 Ländern in den Zeugenstand (u. a. ATTAC Gründerin Susan George, Lori Wallach, Public Citizen, GATT Unterhändler Paul Tran Van Tinh, Gewerkschafter aus Kanada und Polynesien, aber auch den Generalsekretär des franz. Richter- und Staatsanwälteverbandes Gilles Sainati. Mit dabei auch der Roquefort Sachverständige Pierre Laur gleichzeitig McDonalds Experte und Buchautor von „Le Petit Manual anti-McDo a Lusage des Petits et des Grandes Paul Ariès" ).

ATTAC und die »Confédération Paysanne« sind zu diesem Zeitpunkt eine enge Bindung eingegangen. Vor dem Gerichtsgebäude ist die Hölle los; in Manier der französischen Revolution und unter tosendem Beifall ließen sich die Angeklagten in einem Ochsenkarren mit Holzrädern vom Hochplateau zum Palais de Justice fahren...

Bové und Doufour zeigen in ihrem Buch, dass Globalisierung auch anders funktionieren kann. Sie zeigen Alternativen auf und gehen mit gutem Beispiel voran. Auf dem Larzac, ihrem Wohn- und Schaffensort, haben längst genossenschaftliches Arbeiten und eine „bäuerliche Landwirtschaft" Einzug gehalten. Die Bauern wollen nicht mehr in die Abhängigkeit der Futtermittel-, Samen-, und Düngemittelindustrie kommen, um zu industriellen Fleisch-, und Käse-Erzeugern degradiert zu werden. Stattdessen gibt es auf dem Larzac viele Beispiele, wie es anders geht. Die Klein- und Biobauern sind auf ihrem Hof immer ‚Herr der Lage’, erzeugen Klasse statt Masse. Man gründete verschiedene Vereinigungen und hebelte das Erbrecht aus: Auf dem Larzac bekommen nur diejenigen auf Lebenszeit das Recht den Boden zu bearbeiten, die sich in die Gemeinschaft einfügen und sich zu der bäuerlichen Landwirtschaft bekennen.

Während ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit decken Bové und Doufour etliche Lebensmittelskandale auf. Sie ergründen seltsame Tierkrankheiten mit nicht ganz legalen Mitteln. Nur durch einen Einbruch in die Zollbehörden finden sie die tatsächlichen Inhaltsstoffe der Futtermittel heraus. Dem ‚Wiederkäuer-Kraftfutter’ werden erhebliche Mengen von Tiermehl und anderen Abfallstoffen beigemischt. Im Chaos des Tierfutterskandals vergessen die Behörden die Einbrecher anzuzeigen…
Bové und Doufour geben auch Antwort, wenn es um verseuchtes Trinkwasser geht: Die Bretagne erzeugt für 35 Millionen Menschen Fleisch in reinster Monokultur. Der Bodeneintrag von unvergorener Gülle ist mittlerweile so hoch, dass eine extreme Nitritbelastung entsteht: Die Folge: In der Bretagne und einigen anderen Regionen (nicht nur) Frankreichs, kann man sich wegen der intensiven Massentierhaltung das Trinkwasser nur noch in ‘schönen Plastikflaschen’ im Supermarkt kaufen.
International und zusammen mit ATTAC wehrt sich die Bauernbewegung gegen die Verbreitung von genmanipuliertem Saatgut. Es zerstört die Artenvielfalt anderer Pflanzen und macht die Bauern abhängig von den patentierten ‚Einmalsamen’ der Industrie.
Die Thematik des Buches wurde ende 2008 nochmals aktuell, als der scheidende US-Präsident George W. Busch als letzte Amtshandlung abermals Strafzölle auf bestimme EU-Import Lebensmittel erhob.
M.G.

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