Zu Besuch bei Brembo
Brembo fertigte anno 1972 die ersten Alu-Bremszangen für eine GS-BMW. Damals war der Werkstoff Aluminium für eine derart stark belastete Stelle neu – quasi eine Revolution. Die weiteren Entwicklungsschritte kennt man vielleicht: Mehrkolbenzangen, sogenannten Monobloc Bremszangen von Brembo, die nur aus einem gegossenen und gefrästen Teil bestehen, die dazugehörigen Radialpumpen und radial angebrachten Bremssättel, die den leichten Austausch gegen größere Scheiben ermöglichen. Auch bei den Bremsscheiben hat Brembo ‚heiße Eisen‘ im Feuer. Carbon und Carbon-Fiber-Scheiben kommen aus dem Rennsport. Sie sind für den Alltag nur bedingt tauglich, weil sie nur im warmen Zustand bremsen. Für Biker wie Du und ich ist bei Brembo trotzdem eine Menge im Sortiment. Dazu gehören auch die berühmten Marchesini Räder und Felgen, die nach einem einmaligen, dreidimensionalen Verfahren aus Aluminium oder Magnesium geschmiedet werden.
Doch zurück zum Werksbesuch: Der französische Architekt Jean Nouvel designte und durchdachte den neuen Brembo Firmenkomplex ‚Kilometro Rosso‘. Das tat er im Sinne von Firmengründer Emilio Bombassei, der seinerseits Architektur-Ambitionen hatte, jedoch 2001 verstarb. Tatsächlich besteht der Hauptsitz von Brembo in Stezzano aus einem Forschungs- und Technologiezentrum eintlang einem einen Kilometer langegestrecktem Gebäude, das auch von anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen genutzt wird. Mit einem einfachen Hallen-Komplex auf der grünen Wiese gab sich Brembo nicht zufrieden…
Das Design zieht sich von der Architektur bis in die edle Werkskantine wie ein roter Faden hindurch: Es macht auch nicht Halt vor den ansprechend designten Brembo Bremszangen, Scheiben und Armarturen: Italienische Design durch und durch.
Brembo, das ist besonders in diesem Jahrtausend eine Erfolgsgeschichte:
Während 7241 MitarbeiterInnen weltweit für Brembo arbeiten und einen lukrativen Überschuss erwirtschaften, reinvestiert Brembo 5% des jährlichen Umsatzes in Forschung und Entwicklung (R&D) und leistet sich eine große und gut ausgestattete Entwicklungsabteilung in der wiederum jeder 10. Beschäftigte des Konzerns arbeitet. Brembo ist Technologieführer und Brembo Performance Motorbike Manager Roberto Pellegrini merkt nicht ohne Stolz an: Honda ist zwar Eigner von Nissin Bremsen – bei internationalen Wettbewerben (SBK, Moto GP) bedient sich HRC aber stets der Brembo Technologie.
Brembo-Niederlassungen und Produktionsstätten findet man mittlerweile in 16 Ländern weltweit. Der Motorrad-Markt schlägt sich im Brembo-Umsatz mit gut 15% nieder, gleichwohl sehen wir Audi, Porsche und Ferrari u. a. ein und ausgehen.
Brembos bekannteste Marken sind Marchesini, Sabelt, Breco, AP Racing und BYBRE, ein Brand, das ein sehr gutes Preisleistungsgefüge bietet. BYBRE wird zum Beispiel von KTM in den Duke-Modellen verarbeitet. Brembos größter Markt ist dann auch das bevölkerungsreiche Indien. Dort produziert man unter den Marken Brembo und BYBRE. Zu den von Brembo belieferten Motorradmarken gehören eine ganze Reihe (OEM):
Neben BMW auch Harley-Davidson (Bremszangen), Piaggio, KTM, Honda, Moto Guzzi, MV, Triumph, Ducati, Aprilia, Suzuki, Yamaha und Royal Enfield. Die einzigen Reise-Enduros, die Vierkolben-Festsättel – trotz Speichenrädern haben sind übrigens von Brembo ausgestattet: die neue BMW R 1200 GS und die Moto Guzzi Stelvio. Derzeitiges Top-Produkt und Cashcow bei Brembo sind die Rennsportentwicklungen von Radial-Bremspumpen, bei denen die geschmiedeten Hebel, Weg und Spiel nach dem RCS/MSC-System komplett einstellbar sind. Eine besonders leichte, aber leistungsfähige Klasse erschloss Brembo in Malaysia. Für die dort populäre Klasse der ARRC 115 ccm Racer werden spezielle Armaturen, CNC-gefräste Festsättel und 218mm Bremsscheiben hergestellt.
Grau ist alle Theorie, nach dem Besuch des Testcenters in Stezzano (700 Beschäftigte) geht es zu dem älteren Werksteil nach Curno (1200 Mitarbeiter, in der Nähe von Bergamo), wo man eindrucksvoll die Bearbeitung von Schmiederädern und die mechanische Bearbeitung von Bremszangen sehen kann. In der Produktion wird stark zwischen High Performance Serien oder Racingparts unterschieden. Alle verschiedenen Brembo-Serien machen einen hochwertigen Eindruck, sie werden aber in unterschiedlichen Abteilungen gefertigt. Die Unterscheidungen sind die OEM Serien-Produktion, Racing und der Aftermaket. Eine besondere Stellung nehmen dort die edlen und ständig verbesserten Brembo Racing Parts ein. Immer eine Nuance edler, leichter, leistungsfähiger sind hier vorwiegend Monobloc Bremszangen und die nach dem Marchesini-Verfahren geschmiedeten Räder. Sie bringen es auf 50% des Gewichts von Originalfelgen. Bei der Marchesini Aluminium-Verarbeitung ist der Gewichtsvorteil immerhin noch 15%. Marchesini Räder, die für den Rennsport gefertigt werden, sind bei Brembo registriert und getrackt: nach 2500 km Benutzung werden Rennfelgen in der Regel geröntgt und oft ausgetauscht. Falls sie noch einmal im Gebrauchthandel auftauchen, sagt Brembo wem sie gehörten und was sie auf der Uhr haben….
In einer Spezial-Abteilung werden – vor unseren Augen wohl behütet – Formel 1 Bremszangen gefertigt: deren Bremsscheiben hatten in der Anfangszeit ganze 9 Bohrungen, nun ist Brembo technisch in der Lage 1200 Bohrungen anzubringen um noch mehr Thermo-Stabilität zu gewährleisten.