10 Gründe für das Piemont

Piemont – Einladung zur Alternative

Es ist nicht einfach zu verstehen, dass das Piemonte nur so selten auf der Reisehitliste der Deutschen auftaucht. Vielleicht ist das Hügelland der Langhe oder des Monferrato immer noch zu unbekannt als leicht erreichbares Urlaubsziel. Zu kämpfen haben italienische Urlaubsregionen jenseits von Gardasee, Toskana oder Rimini auch damit, dass dort kaum Deutsch gesprochen wird.

I.

Nirgendwo gibt es mehr Qualität fürs Geld. Sicherlich sollten nicht ausschließlich wirtschaftliche Gründe im Vordergrund stehen, aber was Essen, Trinken und Sehenswürdigkeiten angeht, macht so schnell niemand den Piemontesen etwas vor. Über den Wein müssen nicht viele Worte verloren werden, Barolo, Barbaresco aber auch Barbera oder einfache Dolcetto Reben erlangten über die Grenzen hinaus Weltruf. Qualität, das bedeutet: Italiener können nicht schlecht, zumindest nicht beim Essen. Verglichen mit Frankreich ist aber die Rast in Piemonte noch erschwinglich geblieben, auch für Kinderreiche Familien: Das Panini wird immer noch im Lebensmittelladen frisch zubereitet, der Cappuccino kostet im Vergleich zum Café aux Lait fast nur die Hälfte.

II.

Im Piemont wurde Slow Food gegründet. Carlo Petrini, gebürtig in Bra, gründete 1987, aus Protest gegen die Eröffnung des zweiten Fastfood Restaurant Italiens in Rom die Slow Food Gegenbewegung. Begangen wurde dieses Fest, ‚Gegen die Gleichschaltung der Geschmacksnerven‘ bei Sekt und Pasta mit einem spontanen Protestessen auf der Spanischen Treppe. Heute ist die Slow Food Bewegung riesengroß geworden. Zu Ihrer Messe in Turin, dem ‚Salone del Gusto‘, kommen mittlerweile 100 000 Besucher – ein wahres Fest des Genusses! Slow Food ist nicht nur für betuchte Gourmets. Kriterien für die Aufnahme in den Slow Food Restaurantführer ‚Osterie delle Italia‘ ist neben der regionalen Küche ein Menü-Preisniveau von maximal 35 Euro pro Person.

III.

Auch die Banco del Vino und die erste Slow Food Universität (‚Universität der gastronomischen Wissenschaften‘) gibt es nur im Piemonte. In der Banco del Vino in einem historischen Gebäude in Pollenzo werden die flüssigen Schätze Italiens gelagert. Voraussetzung für die Einlagerung sind eine Mindestmenge von 180 Flaschen und natürlich die zertifizierte Qualität. Die 4-semestrigen önologischen Studiengänge in der ‚Università del gusto‘ nutzen besonders Interessierte und Köche aus der ganzen Welt. Auch Slow Food: das erste Lebensmittel-Kaufhaus namens Eataly in Turin. Hier kann man schlemmen und grenzenlos gut Lebensmittel kaufen: Weitere Planungen für Eataly: Paris und New York.

IV.

Turin ist keine schnöde Automobilarbeiterstadt, sondern eine entdeckenswerte Metropole mit kulinarischen und historischen Sehenswürdigkeiten. Die Familienstory der FIAT Familie Agnelli zieht sich wie ein roter Faden durch die neuere Geschichte der Stadt. Fabbrica Italiana Automobili Torino und die Winterolympiade 2006 gingen auf ihr Konto (im wahrsten Sinne des Wortes). Turin ist nun Design- und Schokoladenhauptstadt in einer herrlichen Lage: Eingerahmt von den meist schneebedeckten Gipfeln Monte Rosa, Matterhorn oder dem nahen Monte Viso sind zahlreiche Hochgebirgstäler schnell zu erreichen. Die als Synagoge geplante Mole Antoniellana ist das höchste Gebäude Turins und beherbergt seid 2000 ein fantastisches Cinema Museum, das für Großem besonders aber für Kleine eine echte Attraktion darstellt. Die Königsschlösser in Venaria Reale, Stupinigi oder Racconigi sind ebenfalls Weltklasse. Die Venaria war seit Jahren die größte Restaurierungsbaustelle Europas und wurde nun samt beeindruckender Gartenanlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

V.

Die Piemontesische Küche gilt als die beste der Welt. Das ist keine Phrase, sondern Realität. Geschmacklich gilt sie als deftig und sehr abwechslungsreich. Kaum zu toppen ist sie beinahe schon aus rein statistischen Gründen. Denn die Piemontesische Familie gibt für erlesene Lebensmittel 10-mal so viel aus, wie die ohnehin schon sehr wählerische italienische Durchschnitts-Familie. Wer kann dem schon in Europa das Wasser reichen?
Eine Bagna Couda (ehemalige Schäfermalzeit die Fondueartig verschiedene teils vorgegarte Gemüse zu einer Tunk-Soße aus Anchovis, Butter und Knoblauch reicht) oder die Finanziera (bestehend aus Hahnenkämmen und Hühnerfüßen, die trotz der Zutaten wirklich gut schmeckt) oder der himmlische Bunet-Nachtisch (Kakao, Rum, Milch, Eiweiß, Eigelb…) kann als vielseitig und schmackhaft gelten und benutzt ausschließlich Produkte aus der Region. Die Käsesorten aus dem Sturatal gehen mit den Weinen aus der Lange eine innige Verbindung ein, für die wahre Feinschmecker alles geben würden. Der Castelmagno-Käse wird im Ausland zu Höchstpreisen gehandelt, doch in Piemonte bekommt man ihn, hergestellt ausschließlich aus der Milch von zufriedenen Kühen der Castelmagnoregion, zum Preis eines alten Goudas. Beim Erzeuger oder auf dem Markt gekauft sind die Spezialitäten sogar äußerst preiswert.

VI.

Auch der Lago Maggiore und die 4 Borromäischen Inseln liegen im Piemonte. Das Klima des ›Lagos‹, wie ihn seine Liebhaber nennen, ist äußerst mild und beschert wegen des bevorzugten Mikroklimas noch im Oktober Lufttemperaturen bis 30°C. Die Inseln (Isola Bella, Isola dei Pescatori, Isola Madre, Isola di San Giovanni ist in Privatbesitz) selbst sind ein Paradies für Gartenliebhaber und Freunde einer entspannten Bootsfahrt. In der Zeit von Ende März bis Ende Oktober sind die Gärten und Schlösser der Isola Madre und der Isola Bella geöffnet.

VII.

Das Piemonte hat die spektakulärsten Berge. Nirgendwo sonst geht das sanfte Hügelland des Monferrato, der Langhe oder des Roero derart imposant in ein Hochgebirge über, wie in Piemonte. Innerhalb kürzester Zeit erreichen die Täler Passhöhen die höher als der höchste Schweizer Alpenpass liegen. 2500 oder gar 2700 Meter am Colle dell’Agnello sind an der Tagesordnung. Der Monte Viso ragt gar 3800 Meter in den azurblauen Himmel und wurde deswegen lange Zeit für den höchsten Alpengipfel gehalten. Hier, entlang der französischen Grenze, führt die Grande Traversata delle Alpi (GTA), die wohl spektakulärste Art die Westalpen zu erkunden. Weitere Wegeprojekte sind ebenfalls neuerdings gangbar: Lou Viage im Valle Stura oder die Via Alpina, die den gesamten Alpenbogen durchquert und in den Westalpen am Mittelmeer endet. Ein neu initiiertes Netz von Posti Tappa (den einfachen aber schön gelegenen Wanderherbergen Piemonts) sorgt für eine nachhaltige Tourismusentwicklung: Das Geld kommt genau dort an, wo es benötigt wird. In den extrem von Landflucht betroffenen Piemontesischen Gebirgstälern. Dort schlummert eines der größten Probleme der Region: einige diese Täler haben mittlerweile nur noch die Bevölkerungsdichte wie Alaska, dafür aber den Vorzug der unberührten Natur und einer exquisiten, lokalen Küche.

Sehenswert: die Ausstellung Montage in Movimento in der Forte Albertino in Vinadio (Sturatal). Sie zeigt eindrucksvoll, wie sich das ländliche Leben in den Gebirgstälern entwickelt hat und welchen Einfluss FIAT oder der II. Weltkrieg hatten.

VIII.

Die Langhe, das sind neben Asti und Alba auch die Ferrero Fabrik, die ihre bekannten Nuss- und Schokoladenspezialitäten noch mit Rohstoffen aus der Umgebung herstellt. Neben Weinreben sieht man rund um Alba die Nocciole (Haselnusssträucher) wachsen. Ein Indiz dafür, dass der traditionelle Unternehmen trotz Globalisierung auch auf die Unterstützung der regionalen Landwirte setzt. Weltberühmte Schokolade kommt aber aus Turin, wo man sogar den Café mit Kakao (Caffè al Bicerin) trinkt. Der Trüffelkult (hier sind nun nicht die Pralinen sondern die Pilze gemeint), dürfte hinreichend bekannt sein.

IX.

Der DB Autozug fuhr bis 2015 bis ins piemontesische Alessandria. Nur noch bis 2016 ist die Fahrt von Norddeutschland nach Lörrach möglich. Alessandria bleibt aber ein gutes Zwischenziel, auf dem Weg ins südliche Piemont. Ein einladender Marktplatz, verkehrsfreie Fußgängerzonen und zum Beispiel der einmalige Freskenyzklus Cyclo d’Artù (Artussage) im Salone del Arte oder eine Le Corbussier Ausstellung laden zum kulturellen Erhellungen ein. Literatur? Umberto Eco wurde hier geboren.

X.

Warum nicht einmal etwas anderes machen, als die Nachbarn? Das Piemonte ist für Deutsche so exotisch, wie nach Mauritius oder Butan zu reisen. Die Langhe, die ‚Toskana Piemonts‘ ist dabei ebenso reizvoll wie die abgelegenen und wirklich ursprünglichen Täler der italienischen Westalpen. Wanderwege (GTA), Posti Tappa, Skifahren oder einfach nur die garantierte Einsamkeit der Täler zu genießen geht in Piemonte besser als in anderen Regionen der Alpen. Und es gibt wirklich noch etwas zu entdecken neben den ausgetretenen Pfaden anderer Regionen. Eines ist sicher, kulinarischen und kulturellen Mangel werden sie nicht erfahren. A presto!

Wenn auf einmal alles besser wird, ist man sicher wieder in Italien. (Clemens Gleich)

 

 

 

 

 

 

 

Von Markus Golletz (Infos zum Autor)

 

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  • http://www.slowfood.de/ (oder *.it) Slow Food Seiten für Esskultur
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