Kompass Großer Wander-Atlas Tirol

Tirol ist groß. Für ein Wandergebiet sogar sehr groß. Daher war es auch nicht möglich, diesen Wander-Atlas auch nur ansatzweise zu testen.

Auf den ersten Blick macht das Buch einen ganz guten Eindruck: Die Routen sind nach Schwierigkeit gekennzeichnet und lassen sich auf den Überblickkarten am Ende des Buches gut finden. Die Routenbeschreibungen sind ansprechend und lesen sich so, als wären sie tatsächlich am Ort des Geschehens entstanden. Die jeweils dazugehörigen Karten sind detailliert, bilden aber immer nur einen sehr kleinen Ausschnitt ab, was die Orientierung manchmal etwas schwierig macht. Da ist eine Wanderkarte im gleichen Maßstab, die einen größeren Ausschnitt bietet, schon ganz hilfreich.

Für botanisch Interessierte (zu denen sich der Rezensent durchaus zählt), sind die Extra-Hinweise zu den schönsten Blumenwiesen sicherlich ein zusätzliches Highlight (die Fotos jedenfalls sind wunderschön). Leider verhinderte hier nicht nur die Größe des beschriebenen Gebiets, sondern auch die Jahreszeit eine nähere Überprüfung.

Die Fotos sind auch insgesamt ganz stimmig und machen Lust, Tirol zu durchwandern.

Soweit die Erst-Lektüre, nach der sich das Buch als durchaus sehr guter Reiseführer darstellt.

Allerdings: Bei einer Stichprobe in der Wildschönau (einem Hochtal südlich des Inntals) konnte das Kartenmaterial überhaupt nicht überzeugen. Sowohl die Detailkarte zur Tour auf den Gratlspitz (Nr. 23) als auch die Übersichtskarte am Ende des Buches wiesen eklatante Fehler auf. Während erstere nur einen Trampelpfad als Fahrstraße halluzinierte (was hoffentlich keine weiteren Komplikationen verursacht), schafft letztere Wegeverbindungen, die es einfach nicht gibt. Nein, es gibt keinen befahrbaren Weg von Brixlegg nach Oberau oder Auffach (nicht mal für Enduros!). Den hat es noch nie gegeben und wird es wahrscheinlich nie geben (es ist einfach zu viel Berg dazwischen). Meine Mutter und meine Tante sind jedenfalls immer leicht amüsiert bis schwer genervt, wenn an dem von ihnen gemieteten Haus am Talschluss oberhalb von Thierbach irgendwelche Motorisierten anrauschen, die offensichtlich durch Kompass- oder andere Karten in die Irre geführt worden sind und nicht mehr weiter kommen. – Die Tourenbeschreibung für die Wanderwege zum Gratlspitz konnte leider nicht überprüft werden wegen zu viel Schnee und Lawinengefahr.

Auch wenn es nur eine (!) Stichprobe war: Die Bestwertung kommt wegen der Fehler in den Karten leider nicht mehr infrage ...

Zum Buch gehört auch eine SD und neuerding die  Nature Watch Touren. Damit lassen sich, so der Verlag, die einzelnen Touren-Beschreibungen gezielt ausdrucken, damit nicht das ganze Buch mitgenommen werden muss. Das leuchtet ein und ist aus Gründen der Gewichtersparnis (damit man das schöne Buch nicht in seine Einzelteile zerlegen muss) durchaus zu begrüßen. Auch das Überspielen auf ein PDA oder Ähnliches wird damit möglich. Zu viel sollte man sich von der CD allerdings nicht versprechen: Sie enthält einfach das gesamte Buch als PDF-Datei – Texte und Karten, 1:1. Zusatznutzen bietet sie damit leider kaum. Die Karten beschränken sich auf das, was im Buch abgedruckt ist. Ranzoomen macht es zwar größer, bietet aber nicht mehr Details. Wer (wie ich) also z. B. bei den Tourenbeschreibungen auf größere Kartenausschnitte spekuliert hat, wird leider enttäuscht. Ganz praktisch an der PDF-Version des Buches sind allerdings die vielen direkten Links zu den Homepages einzelner Ortschaften, Hotels, Hütten und mehr, die im Text deutlich hervorgehoben sind, sich teilweise aber auch in den Tourenkarten entdecken lassen.

Dass die CD auch noch eine »Dia-Show« enthält, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Die besteht aus ganzen zehn, mitunter sehr mittelmäßigen, Fotos mit meist ebensolchen Beschriftungen und ist damit leider nicht geeignet, den »Mehrwert« der CD-ROM in irgendeiner Weise zu begründen.  

M. W.

PS: Meiner Tante ist es bei jeder passenden (und manchmal auch unpassenden) Gelegenheit ein dringendes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass der Berg hinter dem Haus nicht die Gratlspitze, sondern der Gratlspitz (besser noch: Gradlspitz) heißt. Das wissen allerdings die wenigsten. Daher führt es auch nicht zu Punktabzügen, wenn im Kompass-Wanderführer Tirol eine Tour auf »die Gratlspitze« beschrieben wird. Ich wollte hier einfach nur noch meiner Tante einen Gefallen tun. Auch, wenn das jetzt eine eher unpassende Gelegenheit gewesen sein sollte ...

Kompass-Internetpräsenz: Eine Menge guter Features für die Vorbereitung der Wanderungen bietet die aktuelle Kompass-Internetseite mit zahlreichen Routenbeschreibungen und vielen Tipps rund ums Thema Bergwandern. Wer es in der Natur dann mag, kann in der von Kompass bereitgestellten »Online-Community« in Tourenerlebnisberichten schmökern oder die Fotogalerie der Kompass-Alpin-Wissenssammlung »Wiki« betrachten oder aktuelle Wetterinfos einholen – vorausgesetzt, man hat auf der schönen Blumenwiese Empfang.

Kommentare

Kommentar von M. W. |

Weniger ein Kommentar als ein Nachtrag: Der Kompass-Verlag hat völlig zurecht darauf hingewiesen, dass »die Gratlspitze« die amtliche Schreibweise besagten Berges sei. Sorry. Muss ich meiner Tante sagen, dann gibt sie vielleicht mal Ruhe diesbezüglich ...
Die Fehler in den beiden Karten werden laut Verlag in der nächsten Auflage selbstverständlich behoben. Wenn die ein Einzelfall waren (wovon ich eigentlich ausgehe: Kompass-Wanderkarten gehören zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen – und wir sind immer wieder heil nach Hause gekommen ...), dann hat der Reiseführer durchaus die Note 1 »sehr gut« verdient.
Bitte rechnen Sie 6 plus 1.