Oversize Bremsscheiben für Enduros
Wiedimensioniert man eine Bremsscheibe? Je nach Motorradtyp und Nutzung. Doch die Ansprüche sind Individuell. Da gibt es Enduros, die nur auf der Straße gefahren werden und Ducatis, mit denen es durch Sand und Geröll geht. Kurzum: eine Frage der Individualisierung.
An eine leichte Einzylinder-Enduro bauen wir statt Serie eine Moto-Master Oversize Bremscheibe (+10 mm Durchmesser, Wave-Flame Design) an. Die Bremsleistung steigt nicht in jedem Fall, aber die Möglichkeiten der Dosierung und die Handkräfte werden minimiert. Erst mit Gepäck und oder Sozius setzt der Reifen und die Witterungsverhältnisse dann Grenzen im Verzögerungs-Verhalten.
Leider gibt es an der SWM RS 650 R kein ABS, so das wir bezüglich der Ermittlung des Bremsweges nur auf das Fingerspitzengefühl und den Zollstock angewiesen sind. Um es vorweg zu nehmen: Die Bremse quietscht leider immer noch ein wenig, der Druckpunkt ist okay, wenn auch nicht massiv, die Handkraft ist aber wesentlich weniger geworden. Ein Performance-Zuwachs ist deutlich zu spüren. Schade nur, das die 298er Scheibe zwar passt, aber derzeit für SWM kein passender Adapter lieferbar ist. Die 298er Oversize Dakar ist noch mal einen Millimeter dicker und hat gegenüber der Serienscheibe einen 38 mm größeren Durchmesser. Bei Radialbremszangen wäre dieses Problem nicht aufgetreten, einfache 'Spacer' übernehmen dann die Adapter-Korrektur.
Original und 'Fälschung': Das Moto-Master Update
SM- und Endurobremsanlagen
Das Enduros meist eine schwächere Bremsanlage als Straßenmaschinen haben lässt sich begründen: Speichenräder erlaubten in der Vergangenheit meist nur Schwimmsattel-Scheibenbremsen (Ausnahme: Kreuzspeichen-Räder). Eine zu brachiale Bremsleistung ist bei mehr Geländebetrieb auch nicht unbedingt erwünscht. Der Bremsscheibendurchmesser kann die Verletzbarkeit der Scheibe offroad auch erhöhen. Zu starke Verwindung der langhubigen Federgabel wäre ein drittes Argument.
Alu-Stahl Verbund
Zweiteilige Bremsscheiben dienen einmal dazu, eine bessere thermische Ableitung zu gewährleisten (Aluminium leitet Wärme besser ab als Stahl). Zusätzlich passen sich zweiteilige Bremsscheiben beim Bremsvorgang besser der Bremszange an und minimieren so den Verzug in der Scheibe. Es sind aber auch mit den Floater und sind auch hier wieder mehr Einzelteile im Betrieb, die offroad stärker verschmutzen können. Schlussendlich die Preisfrage: Festsättel, zweiteilige große Bremsscheiben sind auch teurer, aber vielleicht hat man länger etwas davon.
Darf es ein bisschen mehr sein?
Sicher. Aber in Maßen. Daher der Oversize Test. Im Falle der Dakar Oversize-Disc kommt eine zweiteilige Scheibe mit Innenring (Trägerkranz) aus Aluminium und Bremsscheibe (Bremsring) aus Stahl zum Einsatz. Der Bremszangen-Adapter (kleine Radialbremsanlage) ist wiederum aus Aluminium gefräst. Beide Ringe sind über sogenannte Floater flexibel miteinander formschlüssig verbunden. Auch die Floater isolieren viel von der im Außenring entstehenden Wärme. Zweiteilige Bremsscheiben (mit Floatern) erlauben erlauben auch, das Ausdehnen und Schrumpfen vom Außenring, ohne das im Material Spannung entsteht. Besonders bei sehr großem Durchmesser fester Scheiben würden zwischen Außenseite und Innenseite beim Bremsen große Temperaturunterschiede auftreten, die innere Spannungen erzeugen und zu starken Verzug führen. Daher sind einteilige Scheiben meistens etwas für nur relativ kleine Diameter, erklärt und Jörg Baumann, von Krüger Moto-Parts aus Limburg an der Lahn (vielen Dank dafür!).
Flame Design bringt mehr Reinigung im Offroad-Betrieb
Einen kleinen Schreck gab es bei der Demontage der alten 3 mm-Scheibe: total verzogen, sahen aus, wie eine Untertasse. Hätten wir nicht gedacht, nach kaum 12.000 km. Das muss wohl während zwei Alpenüberquerungen mit Gepäck extrem gelitten haben. Ein Anzeichen von Überforderung. Die Oversize ist deutlich besser, obwohl am Anfang trotz neuerlichen der Druckpunkt nicht besser geworden ist, als 'original'. Das kann hingegen an vielen Faktoren liegen, auch daran, dass das Einfahren und das Anpassen der Sinterbeläge an die Scheibe seine Zeit braucht.
Verzogen wie eine Untertasse
Moto-Master bezeichnet als ›Adapter‹ die Grundplatte der Bremszange. Die wird mit der Gabel verschraubt und gegen die originale (in unserem Fall: Brembo-Gundplatte) ausgetauscht. In ihr sitzen die Gewindebohrungen für Tachoanschluss, Verschraubungen für Zange und Gabelfuß und die Gewinde für die Gleitbolzen. Drauf achten sollte man auch auf etwaige Klemmbleche an der alten Grundplatte, die dann in die neue eingeklippt werden müssen. Auch der Magnet in der Scheibe (Sicherungsring) muss bei manchen Moto-Master Scheiben in die neue transferiert werden.
Montage: alter Adapter kommt weg: alles Säubern und Gleitstifte gut Fetten (Achtung, wasserfestes Spezialfett). Auch Abdichten ist wichtig.
Montage / Demontage
Beim Austauschen des Bremszangenadapters kommen die Bremssattel-Gleitststifte (Bremssattelführung) zum Vorschein. Ein Gleitstift muss in den neuen Adapter eingeschraubt werden, ggf. sicherheitshalber mit Schraubensicherung. Die Führungsstifte gewährleisten das gleichmäßige Arbeiten der Bremszange und sollten daher regelmäßig mit Spezialfett geschmiert werden. Die Bremszange lässt sich bei Schwimmsätteln meist ganz einfach von Hand abziehen. Nachher müssen die Faltenbälge und Dichtgummis wieder sorgsam in die Nuten gedrückt werden. Zum Einsatz kommt Spezialfett, da dieses hoher thermischer Belastung und Spritzwasser ausgesetzt wird. ATE und Liqui Moly haben entsprechende Produkte, s. u.
Bremzangen- und Bremsscheiben-Schrauben bitte mit dem vorgegebenen Drehmoment anziehen und ggf. sichern.
Erstes Fazit
298er Adapter, der nicht passt - dann kam die 270er Scheibe zum Einsatz
Benötigtes Werkzeug:
Drehmomentschlüssel, Schraubensicherung, Schraubenschlüssel, ggf. Bremskolbenrücksteller oder Wasserpumpenzange, Spezialfett z. B. Liqui Moly (hier: Antiquietschpaste oder ähnliche Produkte von Ate), Anleitung. Sinnvoll ist auch ein Nachträgliches Entlüften, bzw. der Bremsflüssigkeitswechsel, samt obligatorischer neuer Bremsbeläge.