1.) Malesco - Bivacco Bondolo
von Markus Golletz
Das Hemd durchgeschwitzt, der Weg ist steil und der Rucksack wiegt 15 kg. Puh, wirklich alles richtig? Noch vorher stimmte uns Cristina Movalli von der Val Grande Parkverwaltung in Vogogna darauf ein: Auch Bergsteiger, die auf Monte Rosa oder Montblanc standen, kommen hier ins Schwitzen.
Unser Projekt: eine Parkdurchquerung parallel zur Traversata Classica von Malesco im Val Vigezzo nach Premosello-Chiovenda, nahe dem Lago Maggiore. Der Routenplaner berechnet 34 km und zwei Pässe von 1800 Meter Höhe. Nur muss man das eben mit Gepäck, samt Essen und Campingausrüstung für 4 Tage rechnen. Cristina schärfte uns auch ein, dass wir am letzten Tag von der Bocchetta del Uschiolo (1881) hinunter zur Stavelli Alpe vorsichtig gehen sollen. 4-5 Tage Wanderung sollten uns dann in den Beinen stecken. Sie sollte Recht behalten.
Von Domodossola nehmen wir die Vigezzina, die alte Bergbahn, die ins Centovalli ins Tessin hinüberleitet. Der Preis ist ein Witz und so starten wir ohne Verzögerung mit der spektakulären Bergbahn nach Malesco. Steil, auch mal 4-5% Steigung, das schafft die starke Schmalspurbahn mit teilweise noch mit Triebzügen aus den 1960er und Wagons von 1923!
In Malesco ist Settimanale (Wochenmarkt) und so werden die Rucksäcke noch etwas schwerer mit leckerem Proviant. Doch dazu später (Was braucht man für 4 Tage Wanderung?).
Eine alte Frau weist uns freundlich den Weg, über eine Hängebrücke betreten wir nun endlich die Wildnis. Schnell ist man durchgeschwitzt, obwohl die Temperaturen im Vergleich zum Lago schnell abnehmen und sehr erträglich sind im August. Wir schätzen 25 Grad tagsüber und konnten 14-17°C in der Nacht messen.
Im Valle Lona gibt es viele erstklassige Bademöglichkeiten, die subito für den aschweißtreibenden Aufstieg entschädigen. Bis Crotte geht es meist im Buchenwald entlang, die große Alpe Aglio wir noch bewirtschaftet und die letzten Autos (wie auch immer die hierhin kommen) stehen an den restaurierten Hütten von All’Erta (1279m). Zwischen Crotte und hier sind wir einige Zeit auf der umstrittenen und geschotterten Kraftwerkstraße gelaufen, ab hier betritt man wieder die unberührte Natur. Es geht schräg über eine Wiese, wir durchqueren eine ab trassierte Kuh Wiese, dann geht es über eine Holzbrücke (mit Viehgatter) und sehr steil über moosige Pfade nach oben. Am steilsten dann der letzte Anstieg zum Bivacco Bondolo, das derzeit von dem Hirten Giuseppe aus Catania mitbenutzt wird.
Das Bivacco ist sehr geräumig, Giuseppes Ziegen laufen auf dem Dach herum und um die Beine flitzen kleine neugierige Hühner. Uns wird Spuma, Käse und Wurst angeboten, um unseren Salz-Zucker-Haushalt wieder aufzufrischen. Wir sind reichlich geschafft vom ersten Tag, aber glücklich und tollerweise gibt es klares Wasser an der Hütte eine Feuerstelle und einen schönen Dachboden unter dem Steindach. Ein netter Abend an dem wir zufrieden einschlummern.
15.000 Hektar Wildnis Schutzgebiet, das ist einmalig in Europa. Das Val Grande liegt im piemontesischen Teil der Lepontinischen Alpen zwischen Lago Maggiore und Ossola-Tälern. Die Provinz Verbano-Cusio-Ossola hat viel zu bieten. Der unbewohnte Nationalpark wurde 1992 gegründet und ist das größte ‚Wilderness-Schutzgebiet‘ der Alpen. In Italien sind Nationalparks von den Regionen verwaltet und so beschloss man in der Mitte des Parks ein Totalreservat zu errichten (an dem man nun auf der Schluchtenstrecke entlangwandern kann). Der Park ist zum aller größten Teil unbewohnt. Es gibt Biwaks (Bivacchi) und einige Forsthäuser (Case Forestale). Die Bivacchi werden von der Parkverwaltung gepflegt, sind aber ohne Bewirtschaftung.
- Tipps für Wanderer (Paco Val Grande)
- Schutzhütten und Biwaks
- Die Traversata classica
2.) Bivacco Bondolo - In La Piana
Giuseppes Ziegen haben sich an de Bocchetta di Vald (1823m) in den Parco Val Grande verflüchtigt. Er und sein Hund Gasper brechen auf zum ‚oggi trekking‘ wie er es nennt. Hut, Stock, Wasserflasche umgebunden, das reicht Giuseppe.
Er ist früher unterwegs als wir uns so verabschieden wir uns nahe der Bocchetta inmitten von Alpenrosen (Rododendri) und Glockengebimmel. Zu unserem Erstaunen beginnt hier an der Park-Grenze ein gemähter, gut markierter Weg hinunter ins Val Grande zur Val Alpe di Sopra. Dort treffen wir neben dem abgebrannten Rifugio einen deutschsprachigen Forstarbeiter, der und für den Abstieg noch Tipps gibt. Rechts ein Wasserfall, unten bei den Furten zwei grandiose Badestellen, Herz, was willst du mehr. Etwas gruseln (und freuen) wir uns, dass wir den Weg in diese Richtung gehen. Im Rotpunkt Führer ist er umgekehrt beschrieben und dann währen die Anstiege noch heftiger. Auf dem Abstieg zum Buchenwald hinunter zur ersten Furt sehen wir verwunschene Buchenstämme, einen Wasserfall und knietiefes Laub, was uns noch einige Zeit begleiten soll. Ab der Furt ist der Pfad etwas schwieriger eingezeichnet, (T3) was daran liegt, das nun nur noch ein schmales Band oberhalb des Rio Biordo, teilweise mit Ketten gesichert, zu erkennen ist. Vor dem Bivacco In la Piana wird alles wieder gemäßigter, wir sind gestärkt durch einen Stopp an der 2. Furt (Rio Fiorina / Valle Rossa). Die Mitte des Parks, das große Bivacco In la Piana ist nah. Es besteht aus drei Steinhäusern und dem Haus der Forestale. Eine schöne Anlage mit großer Wiese und Heli Landeplatz inmitten von Wald. Leider ist der Brunnen trockengefallen und man muss 5 Minuten hinunter zum Fluss mit Hängebrücke gehen um dort in den Quelltöpfen frisches Wasser zu zapfen.
Erstmals bauen wir das Leichtzelt auf (Big Agnes, s. u.) und freuen uns des guten Wetters. Anstatt vernünftigen Espresso haben wir nur Instant-Kaffee eingepackt, daher sind wir heilfroh, dass uns die Forestali von ihrem Espresso einen gute Schippe abgeben. Tag und Abend sind gerettet. Wir können unten am Fluss baden. Neben an noch eine wunderschöne Zeltwiese. Eigenartig, dass hier gar nicht so viele Menschen unterwegs sind. Zu unserer Freude lassen uns uns zwei ältere Wanderer aus Verbania an ihrem Pilzglück teilhaben und schenken uns einen Steinpilz, mille Grazie!
Wir zählen In la Piana an einem Augusttag nur 10 Personen: Deutsche mit viel Ausrüstung, Italiener mit Halbschuhen, die hier binnen eines Tages rein und rausgehen …
3.) In La Piana - Val Gabbio - Alpe Quagiui
Heute das Val Gabbio, wie schön! Das sonnig gelegene Bivacco Mottac liegt hoch über uns (halbe Tagesetappe) doch wir bleiben unten und nehmen uns heute das Val Gabbio vor! Das Wetter ist und hold und so füllen wir die Flaschen und wandern los. Nicht weit von In La Piana der Abzweig nach Orfalecchio, der Route auf dem lange gesperrten Schuchtenweg. Der ist gefährlich, weil immer wieder mit Steinschlag und unterschiedlichen Pegelständen des Rio Val Grande zu rechnen ist. Er ist nicht sehr offensiv in den Wanderkarten eingetragen. Wir bleiben im Wald, hangeln uns an der einen oder anderen Kette entlang und kommen schließlich zur Ponte Gabbio. Davor und dahinter traumhafte Badestellen, die wir ausgiebig nutzen.
An der Alpe Val Gabbio eine Wiese mit Zeltmöglichkeit im Tal, auch ein Not-Biwak mit einsturzgefährdetem Dach. Gleiches gilt für die Alpe Borgo delle Valli, wo unter einer großen Buchenkrone Steinhäuser mit Tibetanischen Gebetsfahnen stehen und wehen. Vorher ein kleiner, aber feiner Irrweg entlang des Ragozzale Bachs: 100 Meter vom Val Gabbio eine der vielleicht schönsten Wasserfall Badestellen im Tal.
Auch bei der Alpe Valle di Sotto sollte man nicht die Flussseite wechseln. Hier sind viele Karten falsch, weil sie eine seit langem eingestürzte Steinbrücke nicht berücksichtigen. Es ist einer der schönsten Streckenabschnitte, so viele Buchen, Laubberge, Waldduft trotz 4-Monatiger Trockenheit. Oben soll es noch ein Bivacco Ragozzale geben, das schön gelegen ist. Für uns geht es weiter an Pilzen und anderen Fundsachen vorbei inmitten eines Buchenwaldes. Es folgt die Alpe Val Piana in deren Nähe es auch Übernachtungspläzte gibt. Allerdings wird das Gelände steiler und wir nutzen die letzte Möglichkeit unterhalb von Cortevecchio am Rio Gabbio noch einmal die Wasservorräte aufzutanken. Danach geht es sehr steil hinauf zum Tagesziel, der Curt di Gubbit und der Alpe Quagiui, die einst die größte Siedlung im westlichen Val Grande war. Ein Platz für das Zelt ist hier oben schnell gefunden. Das Tal ist übersät von Alpenrosen. Weit und breit keine Tiere, keine Menschen, später hoppeln ein paar Gämsen oben in der Geröllzone herum. Der Ausblick reicht weit hinein ins Val Grande, zur Testa di Menta im Norden. Südlich versperrt die Bocchetta dell Usciolo die Sicht auf das Crot Tal, das nach in den Toce mündet. Absolute Stille und Einsamkeit!
Zufrieden bereiten wir uns Das Steinpilz-Risotto und wandern noch ein wenig herum. Die Curt di Gubbit sind noch gut erhalten, aber auf Quagiui fanden wir es im Sommer schöner, offener. Eine Hütte ist auch hier noch gut erhalten und mit hängenden Steinbetten und Regalen ausgestattet. Ein niedriger ehemaliger Viehstallt hat auch noch ein intaktes Steindach.
Ausrüstungstipps Val Grande
Was braucht man für 4 Tage?
Erprobte Schuhe, Gaskocher, am besten einen Topf mit Wärmetauscher (wegen Effizienz), eine Trinkblase mit Trinkschlauch im Rucksack waren wichtig. Den Trekking-Stöcken hatten wir zuerst nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt, sie waren in Kombination mit dem Gelände und dem Gepäck das wichtigste Ausrüstungsteil. Gold wert ist auch die oben beschriebene Geo4Map Karte und auch Rucksäcke, die wir vorher geprüft und ausprobiert hatten. Mit 65 bis 75 Litern sind sie nicht zu groß dimensioniert. Ultralight geht sicher anders, aber wir haben dadurch Sicherheit und waren autark für den Fall, das ein Bivacco nicht erreichbar oder geöffnet wäre.
No-go's waren Baumwoll-Hemden oder Socken. Kunstfaser bei Socken und Unterwäsche etwa wie bei dem UYN Crossover-Trainingsshirt den Temperaturen entsprechend die angemessene Bekleidung – auch die doppelwandigen (blisterfree) UYN Socken. Noch besser gingen die Merino-Socken von Meindl. Die sind flauschig, nicht zu warm, strapazierfähig und können lange getragen werden.
Der Mammut Trion Spine 75 Rucksack machten seinem Namen alle Ehre, beherbergt sicher eine Menge (nicht immer nützliches) Gepäck und Lebensmittel und verschmolz mit uns bei der Wanderung perfekt.
Zu Überdenken ist, was man an Essen wirklich braucht. Wir hatten zu viel dabei. Auch der Wasserhaushalt ließe sich besser planen. Fast jeder Bach ist im Val Grande trinkbar und wir hatten ja auch die Lifestraw-Filter dabei.
Beim Essen erwies sich Reis, Käse und Wurst als gute Wahl, toll war auch ein Stück Frankenlaib, der die ganze Tour gut schmeckte und frisch blieb!
Überraschend:
Keine MTB's unterwegs im Park, das ist wohl zu steil oder auch nicht erwünscht! Überraschend auch der Wasserreichtum im August, kaum ein Bach war trocken. Wir wussten auch nicht, das es Biwaks gibt die außerhalb und welche die innerhalb der Parkgrenze liegen. Außerhalb wir Bondolo bedeutete, das der Hirte seine Tiere auch nicht über die Parkgrenze schicken lassen durfte. Im Val Grande gab es auf unserer Route keinerlei Bewirtschaftung, die eine vorherige Nutzung pflegte. Wilderness bedeutet hier, es ist sich alles selbst überlassen, besonders im Riserva Integrale.
Bitte nehmt den Müll wieder mit aus dem Tal und achtet auf eure Kondition. Besonders beim bergab gehen mit schwerem Gepäck!
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