Royal Enfield Himalayan Testblog 2019

Enfield Himalayan Test Motorradreisefuehrer.de
Enfield Himalayan Test Motorradreisefuehrer.de

Testwoche November 2019

Die Royal Enfield Himalayan LS 410 flatterte uns ins Haus: Eine komplette Neukonstruktion die wir im Alltag bewegen. Dazu hier die Blogposts:

Fazit: Enfield Himalayan

Himalayan on Tour
Himalayan on Tour

Die Himalayan ist ein modernes Motorrad, das leistungsmäßig auf den asiatischen Markt abgestimmt ist. Enfield war vielleicht selber überrascht von dem Erfolg der Neukonstruktion. Der Firmeninhaber, die Eicher Motors Ltd. gibt bekannt, das ihr Unternehmen in den letzen 5 Jahren jährlich (!) um mehr als 40% gewachsen ist. Die neue Produktionsstätte in Chennai (ca. 2012) ist daraus entstanden und man hat Gelegenheit ein paar Innenansichten aus der modernen Produktion zu erheischen. Hier im Anschluss ein Einblick aus dem Jahr 2013 (Video 1)

Etwas weiteres neueres Video zeigt die die Motor-Montage der Enfield Himalayan (Video No.2)

Video 2 zeigt etwa ab Minute 6 ein paar Innenansichten des Himalayan Motors samt Montage / Kunstvolle Tankbemalung von Hand.

Etwas mehr in Richtung Enfield Promotion geht das Video 3, das den berühmt-berüchtigten Karakorum Highway zeigt. Es entstand unter Einbeziehung der Indischen Armee, für die die Himalayan ursprünglich konzipiert war.


Der 'Abenteuer-Tourer' Himalayan hat uns gefallen, auch wenn es seitens Gewicht, vorderer Bremse und Motorleistung noch Verbesserungsbedarf gibt. Kollege Engelke hatte neben vielen guten Erfahrungen Probleme mit der Seitenständer-Halterung und der Kupplung einer Maschine. Ob das reproduzierbar ist, keine Ahnung.

Wer ein unkompliziertes Motorrad, einen Lastesel oder eine Retrobike, das aus Sicht der Konstrukteure gar keines ist sucht, ist mit der Himalayan LS 410 gut bedient. Für Alltag und Entschleunigung.

Video 1
Video 2
Video 3

Unterwegs mit der Himalayan & Homage an die Bullet

Benelli Imperiale vs. Enfield Bullet 350 Classic 2017
Benelli Imperiale vs. Enfield Bullet 350 Classic 2017
 02.11.2019

Der Vorläufer der Himalayan war Enfields Bestseller, die Bullet 350 (Classic). Es gab auch 500er-Version. Allen gemein ist die lange Modell-Geschichte der Bullet seit 1931. Royal Enfield (Motorräder wurden hier seit 1901 gebaut) nannte sich, nachdem 1967 die britische Produktionsstätte geschlossen wurde, auch Indian Enfield. Vor 1955 wurde ausschließlich in England produziert, seit 1955 auch in Madras / Chennai.

Bullets waren in Indien wegen ihrer Zuverlässigkeit bekannt und viele Europäische Indien-Traveler kauften siche eine, um Indien zu entdecken. Reparatur und Ersatzteilesuche stellten dabei kein Problem da, anders, wenn man mit seinem modernen europäischen Bike gekommen wäre. Doch auch Indien verändert sich rasant – eine Neukonstruktion des Bestsellers war nötig geworden und so entstand die Himalayan.

Neben Enfield selbst (mit der neuen Bullet 500) greift ausgerechnet Benelli India nun die Formen und Proportionen dieses Bikes auf und kündigt zur EICMA 2019 die Imperiale 400 an, die wie eine modernisierte Neuauflage der Bullet (2009 bis 2017) wirkt. Die KSR-Group, die neben Enfield, Lambretta, Brixton, Malaguti und weitere Marken von Österreich aus vertreibt, macht sich dabei etwas Konkurrenz im eigenen Haus, bereichert aber auch die Vielfältigkeit der Classic Bike Szene.

Alle Bullets neueren Datums haben modernisierte Einspritzmotoren und Scheibenbremsen, dass muss man dazu noch mal sagen, denn mit dem Bullets aus dem letzen Jahrtausend fühlt man sich bei Oldtimer Classic Ausfahrten noch ganz wohl, im heutigen Verkehr mit ABS-Bremsern könnte es hingegen ganz schön eng werden. 

Das ABS der Himalayan arbeitet Klassen üblich mit zwei Kanälen, der Doppelschleifenrohrrahmen entstand mit Unterstützung des britischen Spezialisten Harris. Konzipiert wurde die Himalayan für das indische Militär. Herausgekommen ist zwar kein Leichtgewicht, aber ein mit Elektronik sparsam umgehendes Motorrad mit Alltagsqualitäten, kleinem Wendekreis und einer hohen Affinität für Gepäcktransport. Die Gepäckbrücke ist serienmäßig, der eigenwillige Rohrrahmen vom Tank zum Cockpit ist ebenfalls mit Anschraube-Möglichkeiten für weiteres Gepäck versehen, man könnte ihn auch Front-Gepäckträger nennen.

Fahrwerk und Teile-Besprechung

Offroader: kein Himalaya, aber Sand
Offroader: kein Himalaya, aber Sand

19.10.2019

Die Himalayan: ist eher ein Heavy Metall Bike! Der Rahmen, die Anbauteile, alles ist sehr massiv. Der neue Motor ebenso. Um Kühlung muss man sich bei den großen Kühlrippen samt Ölkühler sicher keine Gedanken machen. Enfield wird mit dieser Bauweise sicher auch EURO 5 erfüllen können, was das Jammern von Herstellern modernerer Motoren sicherlich in ein anderes Licht rückt.

Bei der schlappen vorderen Bremse kommen wir zum Schluss, dass andere Beläge Abhilfe schaffen müssten. Da es sich um eine Bybre Bremszange handelt, müsste es genug Auswahl geben. Wir fanden Sinter Bremsebeläge von TRW Lucas. Passen sollen auch die (Sinter-)Beläge einer Yamaha XT 660Z.

Ergonomie: Die Ausstattung ist relativ vollständig, die Kannten des 15l-Metall-Tanks (Reserve-Warnung schon bei 10 l) passen, so lange die Fahrer nicht größer als 1,80 m sind. Dann wird es knapp, auch mit dem charakteristischen Tanksturzbügel, der gleichzeitig der Lampen- und Cockpit-Aufhängung dient. An ihm befinden sich übrigens weitere Anschraubmöglickeiten für weitere Gepäckbeförderung.

Das hintere Federbein (Gabsuspension) lässt sich in der Federbasis verstellen und ist sogar am Rahmen über progressive Hebel angelenkt. Ein Hakenschlüssel befindet sich nicht im sonst vollständigen Bordwerkzeug, bei der Federwirkung und Dämpfung sollte Gabsuspension noch etwas nacharbeiten, bisweilen wird man ein Stückchen aus dem Sattel katapultiert, auf Asphalt funktioniert es hingegen ganz gut.


Bodenansicht

Der Seitenständer ist gut zu bedienen, versinkt aber leider im mangels Auflagefläche im Sand. Das Motorrad steht mit Koffern auch sehr steil damit. Schön das ein massiver Hauptständer mit von der Partie ist. Kettenpflege ist damit ein Vergnügen. Eine No-Name O-Ringkette läuft leichtgängig und relativ gut geschützt über die Stahlschwinge. Der Kettenspann-Mechanismus ist einfach und massiv, die Sitzhöhe niedrig, der Wendekreis klein.


Unten-Ansicht: Federbein mit Federbasis Verstellung und Hebelsystem

Die anscheinend ab Werk erhältlichen Seitenkoffer ähneln sehr den älteren Zega Cases von Touratech, auch der Anbausatz (und der Preis) sind fast identisch (gut 800 Euro das Paar). Gepäckträger und Gepäckbrücke fallen ebenfalls sehr stabil und massiv aus. Die Soziusrasten werden kaum behindert.

Lob verdient der konventionelle Klarglasscheinwerfer, der die Straße so gut wie möglich ausleuchtet. Nachtfahrten sind damit kein Problem. Das Rücklicht kommt in LED Ausführung, die Blinker werden wieder von 10 Watt Glühlampen befeuert.

Der Edelstahlauspuff stammt laut E-Nummer aus Großbritannien (E11=GB) entlässt einen dezenten dumpfen Sound und ist am Dämpfer schnell angelaufen. Auf der Innenseite gibt es ein paar übergemalte Verarbeitungsspuren, die aber nicht weiter stören.

Die Ölkontrolle (2,3 l Füllmenge, 15 W 50) erfolgt per Schauglas, die Service-Intervalle sind angenehm lang: die meisten liegen bei 10.000 km. Kuppeln, schalten, das alles geht butterweich vonstatten. Auch die Kupplung zeigt keine Schwächen, wenn der Motor (den man aufgrund seiner Bauart behutsam warm fahren sollte) nicht etwas schwachbrüstig wäre. Der 9,5 : 1 verdichtete Langhuber gibt seine Leistung wirklich sehr dosiert ab, fühlt sich eher wie 300 ccm, nicht wie 411 ccm an. Dagegen soll es eine nicht legale Abhilfe geben, die sich PowerTronic nennt und vermutlich EURO 4-Belange umgeht (bessere Beschleunigung, 15 bis 20 km/h mehr).


Popnieten für für den Schalldämpfer? Made in England

Zwischenbilanz:

  • Spritverbrauch von 4,2 l
  • guter Scheinwerfer, passable Auspuffanlage
  • angenehme Langhuber-Charistik
  • dichte Alukoffer (ähnlich TT Zega Boxen), kosten aber 820 Euro
  • Alu-Motorschutz in Serie, markanter Tanksturzbügel
  • Sitzbank Tank-Kombination für Leute bis 180 cm
  • kleiner Wendekreis & schöne laute Hupe!
  • Seitenständer steht steil und sinkt ein, H4-Licht immer an, auch im Stand.
  • Vorderbremszange: Da stimmt was nicht mit den Belägen. Tipp: Louis besser noch: TRW Sinterbeläge
  • Cockpit Mode Taste: ohne Funktion
  • Federbein mit wenig Wirkung, Bordwerkzeug ohne Hakenschlüssel
  • Windschild zeigt nur für kleine Fahrer Wirkung
  • 35 PS und Vmax von 140 km/h wären angemessen (Tipp: PowerTronic mit Map Switch, + 15 km/h)
  • doppelter Vk wie in Indien (2500 €, dort ohne EURO 4)

Itchy Boots & Noraly

Noraly: Itchy Boots Himalayan Video Blog

 

Itchy Boots & Noraly ist eine berühmt gewordene Niederländerin, deren Videos zigtausende von Zuschauern überzeugen, die Enfield Himalayan zu kaufen. Nach einer ersten Reise hat sie das Enfield Reisen temporär zu ihrem Beruf gemacht. Anscheinend ist es die Art und Weise, wie sie mit ihren Action-Cams - alleine- filmt und schneidet. Ich glaube fast, es geht mehr um Noraly, als um die Himalayan, und so wird die Geschichte ständig fortgesetzt. Kaum ein Video vergeht, das nicht am nächsten Tag 50.000 Besucher hätte. Nach einem halben Jahr sind es auch schnell mal eine halbe Million. Itchy Boots Channel hat derzeit 285.000 Abonnenten. WOW.

Noraly ist immer gut gelaunt, vielleicht Anfang 30 und spricht ein gut verständliches Englisch. Man wird die Vermutung nicht los, das es mehr um sie als um die Enfield geht (was ja auch menschlich verständlich wäre) denn sie ist mehr als eine plumpe Infuencerin. Sie ist auch einfach sympathisch. Das wissen auch zigtausende Inderinen und Inder zu schätzen, die hier bereitwillig klicken. Es lohnt sich, mal hereinzuschauen. Von Noraly gibt es auch einen Bikers Guide über Equipment, das zur Himalayan passt.

Grüße vom Himalaya

Himalayan 2019
Himalayan 2019
24.10.2019

Sie ist eine kleine Reiseenduro, 185 kg schwer, mit rund 400 ccm aus nur einem Zylinder. Die Inder haben aus der betagten Bullet 350 eine komplette Neukonstruktion hingelegt, die keineswegs ein Retromotorrad ist. Jedenfalls nicht aus indischer Sicht. Auf Anhieb ist es das meistverkaufte Royal Enfield Motorrad. Es kostet unter 5000 Euro, bringt es auf 25 PS oder ein Vmax von 130 Km/h. Dann beginnt bei 6500 U/min der rote Bereich des SOHC Motors. Gerade der Motor wirkt nicht sonderlich modern, was kein Makel ist.

Auch andere, wie Honda's NC Modelle sind mit Langhubern ausgestattet und auf dem Markt recht erfolgreich. Der 78 mm Kolben hat einen Hub von 86 mm zu bewerkstelligen, was dem Motor ein ordentliches Drehmoment, aber eben keine hohe Drehzahlfestigkeit beschert. Daher ist er auch moderat mit seiner Leistung im Zaum gehalten und daher auch 'vollgasfest'. Denn die Himalayan ist ein Motorrad zum entschleunigen, auch etwas für das Grobe, wie man vor allem in Indien unter Beweis stellt.
Wir werden zwei Wochen im Alltag testen und eine kleine Tour damit machen.

Entschleunigung mit der Himalayan

Das Thermometer und Kompass scheinen auf einen anderen Planeten geeicht zu sein: Die Temperatur zeigt immer 10°C mehr da hier auch die Motorabluft zum Tragen kommt, der Kompass hat 90° bis 180° Toleranz, der Tacho nur knapp +10%. Sonst ist alles formschön und praxisgerecht im Cockpit. Auf einen folgenschweren Makel werde ich glücklicherweise noch vor Fahrtantritt aufmerksam gemacht: Die vordere Bremse (Bybre) sieht zwar vertrauenswürdig aus, hat aber so wenig Wirkung, dass man das ABS bei guten Haftbedingungen kaum zum Pumpen bringen kann. Da stimmt etwas nicht. Dirk Thiele verspricht seitens Enfields Abhilfe. Aktuell herrscht Ratlosigkeit. Vielleicht sollte man die Yamaha FZ-Beläge verwende, wie diese hier?

Entfetten, entlüften etc. hilft nicht, dabei sehen die Komponenten okay aus: An der Bybre-Pumpe hängt eine Stahlflex-Leitung und eine Zweikolben-Schwimmsattel-Zange. Bybre, der indische Ableger von Brembo und steht normalerweise für Qualität. Entweder haben die vorderen Zangen einen Fehler oder die Reibpaarung zwischen Scheibe und Belägen stimmt derzeit noch nicht, da sollte sich Enfield schleunigst drum kümmern.


Was sonst noch gefällt sind die Laufräder (vorne 21, hinten 17 Zoll) die Pirelli-Bereifung (MT 60) und die dicken Speichen, die Himalaya-mäßig mit Hardenduros mithalten können. Wenn Retro-Bike nicht stimmt und Reiseenduro etwas zu hoch gegriffen ist, dann ist die Enfield Himalayan anscheinend ein Classic Scrambler mit viel indischem Touch. Es wäre schön noch etwas über die Modellentwicklung zu erfahren, ob diese Enfield etwa genau für den europäischen Markt konzipiert wurde?

Bisher sind wir nur vom Tipicamp Hepstedt nach Hannover gerollt, ohne Autobahn, versteht sich. Das hat schon mal Spaß gemacht!
 

Kommentare zum Test

Kommentar von Jones |

Ich fahre die Himalayan nun seit 2 Jahren uns möchte dazu einige Sachen loswerden. Zunächst möchte ich sagen, dass ich dieses Motorrad absolut ins Herz geschlossen habe weil es so eine zuverlässige und robuste Maschine ist. Ich fahre sie alltags und habe noch nie Probleme mit ihr gehabt. Den viel geäußerten Beschwerden über die Bremsleistung kann ich nicht zustimmen. Ich habe es schon of genug geschafft ins ABS zu bremsen und noch nie das Gefühl gehabt die Bremsleistung wäre schwammig oder ähnliches. Zu der hinteren Federung: Wie ich vermute ist sie auf Koffer-Betrieb abgestimmt und da ich ständig mit 2 großen 34l Koffern fahre passt die Federung eigentlich sehr gut. Die konstruktionsbedingt leicht abweichende Temperaturanzeige lässt sich ganz gut nutzen um zu erkennen wann der Motor warm ist und mann auch mal mehr Gas geben kann. Natürlich wirkt vieles an diesem Motorrad altbacken und rustikal aber genau das ist es doch was den Reiz dieser Maschine ausmacht, oder? Es ist eben kein durchgestyltes Rennpferd, sondern ein robuster Lastesel mit der Aura eines Nutzfahrzeuges.
Grüße aus Bochum
Jones

Antwort von Markus Golletz

Jones,

vielen Dank für Deine Ergänzung zum Test!
Ich kann dir von meiner Seite zustimmen, das wir die Himalayan auch gelungen fanden. Nur das mit der Bremse vorne (vielleicht ist es ja nun auch beigelegt), das haben uns auch andere und Mechaniker bestätigt. Bei unserem Modell war die einfach nicht ausreichend funktionstüchtig. Das Experiment mit anderen Bremsbelägen konnten wir aber nicht machen. Fährst du nun Zubehörbeläge? Ich kann mir vorstellen, das man die Bremse dadurch weiter verbessern kann, nur eben an den gewöhnten Standard der hier üblichen Europäischen oder japanischen Motorräder reichte das noch nicht heran. Immerhin gab es eine Homologation, die ja beweisen soll, das Mindestanforderungen erfüllt wurde.

Also gerne noch mehr Meinungen zur Himalayan Bremse, und wie man die verbessern kann.

Die Sache mit dem Lastesel und des Nutzfahrzeuges ist ein gutes Sinnbild!

Lieben Dank,

Markus

Kommentar von Nils |

Ich fahre die Himalayan ohne Probleme seit 10500km.
Die Vorderbremse hat sich seit der ersten Version mit besseren Belägen verbessert
und sie passt meiner Meinung recht gut zu der Maschine. Ich habe mir zumindest nie etwas anderes gewünscht. Die ersten indischen Reifen hatten etwas weniger gripp als die Europäischen. Eine Maschine für jede Situation, Alltagfahrten, Berge, Schnee usw. mit den Koffern lassen sich 18 Flaschen Wein transportieren oder sonstige Einkäufe oder eben Reisegepäck.

Antwort von Markus Golletz

Danke für Deinen Kommentar und das Update zur Bremse!
Markus

Bitte rechnen Sie 7 plus 8.